Korrekte Atmung

Hinweis vom SYF Übersetzer-Team: Während den 20 Jahren, in denen Swami Satyananda Saraswati die Bihar School of Yoga in Munger aufbaute, reiste er auch unermüdlich um den Globus um Yoga zu verbreiten. Während unzähligen Vorträgen und Unterweisungen sprach er zu allgemeinen Themen des spirituellen Lebens und vermittelte Einsichten in die ursprünglichen Philosophien und Wissenschaften des Yoga, des Tantra und der Veden. Die folgenden Zitate stammen aus Satsangs dieser Zeit, während denen er auf direkte Fragen von Schülern, in seiner unnachahmlich, spontanen Art, antwortete. Sie werden mit freundlicher Genehmigung des Yogamagazines übersetzt und veröffentlicht.

Folgende Zitate findest du im Yoga Magazin vom Juni 2020.

Was ist mit korrekter Atmung gemeint?
Swami Satyananda: Die meisten Menschen atmen falsch, denn sie nutzen nur einen kleinen Teil ihrer Lungenkapazität. Die Atmung ist dann oberflächlich und führt dem Körper den für die gute Gesundheit notwenigen Sauerstoff und Prana nicht ausreichend zu. Die ersten Übungen, die den Pranayama Schülern gelehrt werden, sind vorbereitende Techniken, die zu einem korrekten Atemverhalten führen. Darüber hinaus tragen sie dazu bei, die Achtsamkeit auf den Atemvorgang zu konzentrieren, der normalerweise unbeachtet bleibt. Obwohl das Erlernen eine gewisse Dauer beansprucht, ist es möglich, den Atemvorgang unter bewusste Kontrolle zu bringen. Sobald die Atmung korrigiert ist, fühlt man sich deutlich besser. Beim Einatmen sollte sich der Bauch ausdehnen und beim Ausatmen sollte sich der Bauch zusammenziehen. Kontraktion und Ausdehnung des Bauches sollten mit dem Atemprozess synchronisiert werden. Das ist auch bei allen Tieren zu beobachten. Schau einem Hund oder einer Katze oder irgendeinem anderen Tier zu. Der Atem ist sowohl kräftig als auch subtil. Der kräftige Atem ist spürbar und der subtile Atem kann nicht wahrgenommen werden. Wenn der Atem subtil wird, verbessert er die Qualität der Achtsamkeit. Die Ein- und Ausatmung sollte gleichmäßig sein. Sie sollte weder zu stark oder zu schwach noch unterbrochen oder unregelmässig sein.

Warum lehrt Yoga das richtige Atemverhalten?
Swami Satyananda: Bevor Yoga Schüler Pranayama erlernen, müssen sie ein Feingefühl für den Atemvorgang entwickeln und die Muskeln im Lungenraum neu trainieren, so dass sich ihre vitale Kraft steigert und sie auf Pranayama vorbereitet sind. Rhythmisches, tiefes und langsames Atmen stimuliert einen ruhigen und zufriedenen Geisteszustand. Gleichzeitig entspringt diesem Zustand ein langes, rhythmisches Atemmuster. Unregelmäßiges Atmen stört die Gehirnrhythmen und führt zu physischen, emotionalen und mentalen Blockaden. Diese wiederum verursachen innere Konflikte, eine unausgeglichene Persönlichkeit, bringen die Lebensweise durcheinander und führen zu Krankheiten. Pranayama sorgt für regelmäßige Atemmuster, unterbricht den erwähnten Negativzyklus und kehrt den schwächenden Prozess um. Dies geschieht mit der gewonnenen Kontrolle über den Atem und führt zur Wiederherstellung der natürlichen, entspannten Rhythmen von Körper und Geist.

Was sind die körperlichen Vorteile einer tiefen und langsamen Atmung?
Swami Satyananda: Tiefes Atmen ermöglicht eine maximale Sauerstoffaufnahme bei jedem Atemzug, und die langsame Atmung ermöglicht einen optimalen Sauerstoff-Kohlendioxid-Austausch. Es braucht eine gewisse Zeit, damit Sauerstoff von den Lungen in das Blut und Kohlendioxid aus dem Blut in die Lungen gelangen kann, von wo es dann in die Luft ausgestoßen wird. Bei rascher Atmung wird der optimale Austausch von Sauerstoff und Kohlendioxid in den Lungen nicht erreicht. Ist die Atmung langsam, dann kann der optimale Austausch stattfinden. Deshalb ist das Zusammenspiel von Tiefe und Geschwindigkeit der Atmung so bedeutend.

Warum ist die Wissenschaft des Atmens so wichtig für das Wohlbefinden?
Swami Satyananda: Pranayama hat eine zweifache Wirkung. Er hilft, das physische System rein und in gutem Zustand zu halten und sowohl die mentalen als auch die emotionalen Aspekte des menschlichen Wesens zu kontrollieren, zu regulieren und zu lenken. Pranayama beinhaltet kontrolliertes, rhythmisches und regelmäßiges Atmen. Prana ist die grobstoffliche Manifestation der subtilen, universellen, kosmischen Kraft im physischen Körper. Es ist diese kosmische Energie, die allen fühlenden Wesen Leben schenkt. Pranayama ist die Technik der Erhaltung und Verteilung dieser Lebenskraft. Beim Einatmen wird Sauerstoff aufgenommen und beim Ausatmen wird Kohlendioxid ausgestossen. Die Sauerstoffanreicherung des Systems macht den Körper rein, leicht und aktiv. Solange die Wissenschaft des Atmens nicht richtig verstanden und korrekt geübt wird, besteht die Wahrscheinlichkeit einer Unausgewogenheit beim Atmen, die zu verschiedenen Arten von mentalen und emotionalen Konflikten und zu Impulsivität führen kann. Die Welt mit ihren unzähligen Freuden und Leiden hat einen heftigen Einfluss auf das Individuum, und oft gelingt es nicht, einen praktischen Weg zu finden, sich an das Leben anzupassen. Die Wirkungen von Prana auf den Menschen und die Wechselbeziehung zwischen Geist und Körper werden im Yoga vollständig erkannt und verstanden.

Wie beeinflusst die Art des Atmens die Lebenserwartung?
Swami Satyananda: Nicht nur die Lebensqualität wird durch den Atem beeinflusst, auch die Lebensdauer ist vom Atemrhythmus abhängig. Die Yogis und Rishis des Altertums studierten die Natur sehr genau. Sie stellten fest, dass Tiere mit einer langsamen Atemfrequenz, wie Pythons, Elefanten und Schildkröten eine lange Lebensdauer haben, während Tiere mit schnellem Atemrhythmus, wie Vögel, Hunde und Hasen nur wenige Jahre leben. Sie schlussfolgerten anhand dieser Beobachtungen, dass das langsame Atmen für ein langes Leben essenziell sei. Demzufolge haben Menschen, die kurz und schnell atmen, höchstwahrscheinlich eine kürzere Lebensdauer als solche, die langsam und tief atmen. Auf physischer Ebene lässt sich das durch die enge Verbindung von Atmung und Herz erklären. Eine tiefe Atemfrequenz erhält das Herz stark, besser genährt und trägt zu einem längeren Leben bei. Tiefes Atmen erhöht auch die Aufnahme von Energie durch Pranamaya Kosha und das steigert die dynamische Kraft, die Vitalität und das allgemeine Wohlbefinden.

Aus der “Conversations on the Science of Yoga” Serie – Hatha Yoga Book 7, Hatha Yoga and Health

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