Allgemeine Erläuterungen zu Yoga

Hinweis vom SYF Übersetzer-Team: Während den 20 Jahren, in denen Swami Satyananda Saraswati die Bihar School of Yoga in Munger aufbaute, reiste er auch unermüdlich um den Globus um Yoga zu verbreiten. Während unzähligen Vorträgen und Unterweisungen sprach er zu allgemeinen Themen des spirituellen Lebens und vermittelte Einsichten in die ursprünglichen Philosophien und Wissenschaften des Yoga, des Tantra und der Veden. Die folgenden Zitate stammen aus Satsangs dieser Zeit, während denen er auf direkte Fragen von Schülern, in seiner unnachahmlich, spontanen Art, antwortete. Sie werden mit freundlicher Genehmigung des Yogamagazines übersetzt und veröffentlicht.

Folgende Zitate findest du im Yoga Magazin vom Februar 1977.

Swamiji, was ist ein Ashram und welche Funktion erfüllt er für jemanden, der in der Gesellschaft lebt?

Ashram ist ein Sanskritwort und bedeutet Ort für spirituelle und körperliche Arbeit. Ein Ashram ist darauf ausgerichtet, dass sich Schüler und Bewohner mit grosser körperlicher und mentaler Energie darum bemühen, ihr Karma abzuarbeiten.

Der Geist ist unruhig, und wenn du viele Yoga Übungen machst ohne durch den Prozess von Karma Yoga zu gehen, dann entstehen viele mentalen Probleme. Daher wurde vor langer Zeit das Ashramsystem entwickelt, um den Schülern und Bewohnern die Möglichkeit zu geben, mit ihrem Guru in einer Gemeinschaft zu leben und ihre mentale, intellektuelle, emotionale und körperliche Energie in Form von Arbeit auszudrücken. Natürlich besteht diese Tradition nicht mehr so wie in früheren Zeiten, aber wir versuchen, insbesondere ich selbst, sie wieder aufleben zu lassen. Ich habe meine Ashramleute auf der ganzen Welt gebeten, ihre Ashrams in einer Weise zu organisieren, damit spirituell gesinnte Menschen dorthin gehen und einige Zeit bleiben können, um die Wirrungen und Einengungen von Karma zu beruhigen.

Ashramleben ist ein wichtiger Schritt in Richtung höhere, spirituelle Meditation. Ashramleben gibt dir die Gelegenheit, das Nicht-Anhaften zu üben. Ashramleben bietet dir ausserdem die Möglichkeit und Vorstellung davon, dass das Leben mit viel mehr Einfachheit geführt werden kann, als wir es momentan für möglich halten.

In jedem Ashram sind die wichtigen Elemente der Guru, der Schüler (shishya) und die Beziehung zwischen den beiden. Der Guru und die Schüler bilden den Ashram. Die Schüler streben danach, den höchsten Gipfel im spirituellen Leben zu erreichen. Wenn sie mit geistiger Unruhe konfrontiert werden, kommen sie in den Ashram, bleiben eine Weile und kehren dann in ihr normales Leben zurück und praktizieren ihre spirituellen Übungen mit absoluter Regelmässigkeit, Vertrauen und Hingabe.

Ich finde, dass die Erkundung der spirituellen Ebene leichter ist für introvertierte
Persönlichkeiten als für extrovertierte Menschen, die dazu neigen, ihre Energie auf
andere zu richten. Welche passenden Methoden bietet Yoga für beide Persönlichkeiten?

Gut, soweit meine persönliche Erfahrung reicht, ist spirituelle Erkenntnis oder spirituelles Bewusstsein schnell greifbar für eine Person, die über ein extrovertiertes Naturell verfügt. Menschen, die introvertiert sind, werden es sehr schwierig finden, die Achtsamkeit aufrecht zu erhalten, diesen ununterbrochenen Fluss von Achtsamkeit, der während der Meditation benötigt wird. Daher machen wir die Menschen in Yoga und im Ashramleben extrovertiert, sogar diejenigen, die von Natur aus introvertiert sind. Wir erwecken und erweitern den Umfang ihrer sensorischen Aktivitäten. Wir geben ihnen Übungen, durch die sie alle fünf Sinne, Tastsinn, Sehsinn usw. entwickeln. Die Sinneswahrnehmungen müssen empfindsamer werden.

Der Yogi wird an einem bestimmten Punkt in seiner Evolution sehr extrovertiert. Ich meine damit nicht, dass er sich den Sinnenfreuden hingibt, aber er wird sich allem bewusst, was sich aussenhalb befindet und durch die Sinne empfangen oder verstanden werden kann. Daher glaube ich persönlich, dass die Menschen, deren Sinne extrovertiert sind, diesen spirituellen Punkt schneller erreichen können als introvertierte Menschen. Diejenigen, die von Natur aus introvertiert sind, werden ihre sensorischen Empfindungen nach aussen verlagern, sie entwickeln und empfindsamer machen müssen um sie dann wieder nach innen zu kehren.

Introvertiertheit ist ein spiritueller Nachteil im Yoga. Wenn ich in unserem Ashram Sannyasins oder Schüler vorfinde, die von Natur aus introvertiert sind und von sich aus viel meditieren, dann halte ich sie davon ab. Ich sage ihnen: “Mach das nicht, denn du weisst nicht wie du den Geist beeinflussen kannst, und du weisst auch nicht, wie du den Geist kontrollieren kannst. Du gelangst von Natur aus spontan in einen Zustand der Introversion. Wenn dein Geist tief in sich versinkt, während du viel meditierst oder Japa machst, hast du die Fähigkeit und kennst du die Methode, um ihn da wieder herauszuholen?” Daher sollte der Geist nicht nach innen gerichtet werden, ausser er wurde zuerst nach aussen gerichtet. Introvertiertheit ist neurotisches Verhalten.

Sie sprachen gestern darüber, den richtigen Yoga zu finden, der zum Individuum passt.
Wie findet man ihn?

Charakterbezogen kann die menschliche Bevölkerung in vier Gruppen eingeteilt werden: dynamisch, gefühlsbetont, mystisch oder rational.

Niemand von uns ist ausschliesslich dynamisch, gefühlsbetont, mystisch oder rational. Einige von uns sind zum Beispiel vorwiegend dynamisch, aber wir alle haben auch Gefühle, mystisches Bewusstsein und Vernunft. Jene, die vorwiegend dynamisch sind, sollten Karma Yoga zu ihrem hauptsächlichen Sadhana machen, aber auch Bhakti Yoga, Raja Yoga und Jnana Yoga nutzen.

Jene, die vorwiegend gefühlsorientiert sind, sollten Bhakti Yoga, den Yoga der Hingabe und Liebe, als ihre hauptsächliche spirituelle Übung annehmen, zusammen mit ein wenig Karma Yoga, ein wenig Raja Yoga und ein wenig Jnana Yoga.

Jene, die vorwiegend mystisch veranlagt sind, sollten Raja Yoga annehmen und praktizieren, das ist der Yoga der Meditation, Konzentration, Einkehr und Samadhi. Aber daneben sollten sie auch Karma Yoga, Bhakti Yoga und Jnana Yoga als Teil ihres Sadhanas annehmen.

Auf diese Weise müssen wir unser eigenes Temperament analysieren und entsprechend dieser Besonderheit des Naturell sollten wir einer der vier Yogas annehmen. Karma Yoga versteht ihr.
Bhakti Yoga ist Hingabe, Singen, Japa, Gebete und so weiter. Raja Yoga ist Meditation, Kundalini Yoga, Kriya Yoga, Laya Yoga – alle das gehört zum Kapitel Raja Yoga. Jnana Yoga ist Kontemplation, der Yoga der gründlichen Selbsterforschung.

Wie beeinflusst Mantra den Geist?
Mantra wirkt auf das Unterbewusstsein und entlädt die tieferliegenden Schichten des Karma,
und bringt dadurch die Symbole deines tieferen Bewusstseins an die Oberfläche. Es reinigt den mentalen Bereich und befreit dich von psychischer Ablenkung im höheren Meditationsstadium. Darin liegt seine Wichtigkeit. Natürlich, Mantra erzeugt Konzentration, aber seine allerwichtigste Funktion ist es, den gesamten Bereich des Bewusstseins zu reinigen.

Wenn du meditierst, wirst du von Gedanken und später von psychischen Visionen unterbrochen. Diese Unterbrechungen können durch einen kontinuierlichen Prozess von Japa und Mantra beseitigt werden. Je mehr du Mantrarezitation übst, desto mehr sicherst du dir eine absolute und ununterbrochene Meditation.

Was ist der Unterschied zwischen Unterdrückung und Kontrolle?
Unterdrückung steht im Widerspruch zu deiner eigenen Persönlichkeit, du bist mit dir selbst nicht im Einklang. Bei Kontrolle jedoch stimmen beide Elemente deines Geistes überein. Wenn ich mich selbst kontrollieren möchte, bin ich mit mir selbst völlig im Einklang, in Toto. Beim Unterdrücken allerdings, möchte ich etwas nicht und tue es dann trotzdem. Das ist der grundlegende Unterschied zwischen Unterdrückung und Selbstbeherrschung.

Swamiji, ich finde, ich bin unruhig, wenn ich arbeite. Was kann ich tun?
Ich glaube, du magst deine Arbeit nicht. Wenn du Freude an deiner Arbeit haben möchtest, musst du sie zu einem Teil deines spirituellen Lebens machen, einem Teil von Sadhana, einem Teil von Yoga.

Wenn du die Arbeit, die du machst, nur als einen Weg betrachtest, um Geld zu verdienen, dann kann ich dir sicherlich gegen diese Unruhe helfen. Während der Zeit, in der du arbeitest, solltest du dich auf deine Arbeit konzentrieren, aber wann immer du ein wenig Zeit hast, oder eine Arbeitspause, solltest du dein Mantra wiederholen. Und jeden Morgen solltest du ein wenig mehr Pranayama machen, und mit dem Pranayama den Atem ein wenig anhalten, oder Kumbhaka.

Scroll to Top